Alfred Komarek wurde in den letzten Jahrzehnten fester Bestandteil unserer Umgebung. Bereits als Student begann er zu schreiben und ließ früh als Texter für den Radiorundfunk aufhorchen, so zeichnete er unter anderem für die bekannte Sendung „Melodie exklusiv“ verantwortlich. 1998 wurde sein Werk „Weinviertel. Tauchgänge im grünen Meer“ veröffentlicht, worin seine Verbundenheit zu dieser Gegend erstmals literarisch Niederschlag fand. Im selben Jahr erschien Komareks erster Krimiroman „Polt muss weinen“, dessen Handlung sich im fiktiven Ort Brunndorf bewegt, als reales Vorbild diente ihm dafür das Pulkautal. Gefolgt wurde der Roman von vier weiteren Poltromanen, „Blumen für Polt“, „Himmel, Polt und Hölle“, „Polterabend“ und „Polt.“. Danach erschien zusätzlich eine Kurzgeschichtensammlung mit dem Titel „12 mal Polt“. In dieser Serie zeigt sich das große Wissen rund um das Pulkautal und dessen Bewohner, das der Autor sich in seiner jahrzehntelangen Präsenz als Kellerbesitzer aneignen konnte. Für die Verfilmung der Romane erhielt der Schriftsteller gemeinsam mit dem Regisseur Julian Pölsler die Romy 2002 in der Kategorie „Bestes Drehbuch“. Aufmerksamen Leserinnen und Lesern, Zuseherinnen und Zusehern ist auch sicher die Familie Himmelbauer aufgefallen – als Familie Höllenbauer.
Leseprobe aus dem Roman Polt muss weinen
In Höllenbauers Keller
Seit Monaten waren die zwei Höllenbauern mit Feuereifer daran, den ererbten Hof von allen Scheußlichkeiten zu befreien, die man sich im blinden Modernisierungseifer der 60er Jahre eingebildet hatte. „Übrigens lässt dir der Ernstl sagen, dass er im Keller ist, weil Kundschaft kommt. Wenn du Lust hast …?“
Simon Polt hatte sogar sehr große Lust. Der Höllenbauerkeller war für ihn ein dunkler Himmel unter der Erde, auch wenn der Pfarrer diese Einschätzung aus theologischen Gründen nicht so recht teilen wollte. Der Gendarm außer Dienst holte also sein schwarzes Fahrrad hervor und machte sich zielstrebig auf den Weg in die Burgheimer Kellergasse. Normalerweise stieg er ab, sobald der Weg steiler wurde und schob das Fahrrad neben sich her. Diesmal hinderte ihn allerdings drängende Ungeduld daran und die letzten Meter bis zum Ziel trat er sogar stehend in die Pedale. Rotköpfig und außer Atem, aber frohen Sinnes strebte er die Kellertür zu, die sich neben dem großen Presshaus in die Tiefe öffnete.
Eine steile, aus Ziegeln gemauerte Treppe führte nach unten. Simon Polt wusste, dass sie aus 42 Stufen bestand und jede davon war anders geformt, mit runden Kanten, Buckeln und Gruben, entstanden im vertrauten Dialog mit den Schritten der Kellermänner. Viele Generationen von Höllenbauern waren diesen Stufen kellerwärts gefolgt und hatten sich eine geraume Zeit später von ihnen nach oben helfen lassen. Polt ärgerte sich jedes Mal darüber, wenn irgendwelche Fremde diese alten Stufen gedankenlos unter die Füße nahmen, ohne zu spüren, was sie zu erzählen hatten.
Als der Gendarm in der kühlen Tiefe angelangt war, blieb er stehen und schaute sich um: In einem mit Ziegeln gewölbten, ungewöhnlich weiten und hohen Keller reihten sich dicht an dicht gewaltige Holzfässer. Ein kleinerer Seitengang nach rechts bot Raum für einen Stapel dunkel glänzender Weinflaschen, deren Korken von schwarzem Kellerpilz umwuchert waren. Nach links führte ein enger Durchlass in eine zweite, nicht ganz so hohe Kellerröhre, die der größeren Wölbung parallel folgte. Von dieser, wusste Polt, zweigten viele kleinere Gänge ab, die, in verspielten Windungen, sachte ansteigend, dann wieder abfallend, ins Dunkel führten, unvermutet ineinander mündeten oder auch in heimlichen Nischen endeten. In diesem Teil des Kellers gab es kein elektrisches Licht und nur Banausen entzauberten das geheimnisvolle Reich der Tiefe mit einer Taschenlampe. Wer aber seinen Weg bei Kerzenlicht suchte, löste nach und nach flackernde Bilder aus der Dunkelheit, sah die Konturen alter Inschriften und Zeichnungen hervortreten und wunderlich bewegte Schatten an den krummen Wänden baten Gedanken und Träume zum Tanz. […]